Buchrezension: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück

Stell dir vor du liegst nachts gemütlich im halbschlaf im Bett und plötzlich geht grelles Licht an, du wirst herrausgezerrt, an ein Krankenhausbett gefesselt und in einem Kunststoffkäfig festgehalten. Du kannst schreien, aber nix passiert. Um dich herum kannst du andere Menschen schreien hören. Ab und zu darfst du kurz deine Familie sehen, wirst gesäubert und gefüttert aber die meiste gefühlte Ewigkeit bist du allein, hilflos gefesselt. Dann bekommst du eine Person zugeteilt die dich zu regelmäßigen Zeiten füttert, aber nicht immer dann wenn du hungrib bist. Die meiste Zeit wirdst du weiterhin in Gefängnisswagen und Käfigen gehalten ohne Kontakt zu anderen menschlichen Wesen.

So oder so ähnlich sieht Jean Liedloff, die Autorin von „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ die ersten Monate westlicher Babys (im Buch natürlich viel besser beschrieben). Eltern und speziell Mütter lassen sich von lieblosen meist männlichen „Experten“ beeinflussen und behandeln ihre Kinder wie Sträflinge und nicht wie ihr eigen Leib und Blut. Babys und Kinder werden als Hinderniss und Bürde gesehen weil die flasche Auffassung besteht, dass man die kleinen nonstop bekämpfen (eigenen Willen durchsetzen), erziehen und bemuttern muss. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Mutter-Kind Beziehung aber auch später bei Erwachsenen führt es zu vielen Psychologischen-kompensationsverhalten.

Das „zivilisierte entfremdete“ Modell der Kindererziehung wird dem, der Indianer im Dschungel Venezuelas lebenden Stämme entgegengesetzt. Babys und Kinder werden fast die ganze Zeit am Körper gehalten und getragen bis sie von sich selbst aus die Welt erkunden möchten. Neid oder Gewalt gibt es dort angeblich unter den Kindern und Menschen nicht. Es gibt keinerlei Zwang. Eltern und ältere Kinder dienen als Vorbilder die, wenn das Kind bereit ist, kopiert werden. Erst nur für wenige Minuten (beim Essen zubereiten) später mehr und mehr. Weder werden die Kinder dazu aufgefordert, noch gedemütigt wenn sie nach kurzer Zeit die Lust verlieren.

Jungen fangen mit 2 Jahren an mit scharfen Pfeilen zu schießen. Feuerstellen, Gruben, Macheten und andere Gefahrenquellen sind nicht vor Kleinkindern geschützt. Eltern vertrauen darauf, dass ihre Kinder so wie alle anderen Tiere keine Selbstmordabsichten haben. Durch die frühe eigenverantwortung lernen Kinder schnell für sich und ihr Leben selbst bestimmen zu können ohne rebellieren zu müssen. Viele westliche angeblich zivilisierte Eltern können von solch friedlichen und Harmonischen Kindern nur träumen. Das kommt allerdings aus selbst gemachten Fehlern die von der eigenen Erziehung herrühren. Opfer erziehen wieder opfer und so dreht sich der Kreis.

Unabhängig von diesem Buch gibt es auch wissenschaftliche Studien die belegen das Kinder vieler Tierspezies auch menschliche durch nachahmung lernen. Westlichen Kindern wird dieser Trieb oder Wunsch meist nicht gewärt. Welches Kind kann schon sehen was die Eltern tun um Unterkunft, Nahrung und sonstiges Lebensnotwendige erlangen. Kinder leben in parallel Welten, gut geschützt vor dem Ernst der Welt. Sie sollen ja ihre Kindheit genießen, aber dann sollen sie auch in die Schule und fleißig lernen, ohne zu wissen wofür. Um eines Tages selbstständig Geld verdienen zu können um sich selbst und vielleicht eine Familie versorgen zu können.

Jean Liedloff vordert ihre Leser auf konservative Erziehungsmethoden zu überdenken und den eigenen Instinkten zu folgen. Mütter könnten sich zusammen tun und in Gruppen ihre Hausarbeit erledigen wärend die Kinder nebenher spielen können. Kinder sollten auch sehen was ihre Eltern in der Arbeit tun.

Fazit: Ich finde dieses Buch sehr interessant auch wenn ich den Schreibstil etwas schwerfällig fand. An mehreren Stellen fand ich es schwer den Gedanken der Autorin zu folgen. Die Beschreibung der Sichtweise von Neugeborenen im Dschungel und in der westlichen Gesellschaft sind sehr bewegend. Ob alle Schlussfolgerungen richtig sind kann ich nicht sagen, aber viele Dinge machen intuitiv sinn. Ich würde dieses Buch jeder Schwangeren ans Herz legen. Zumal man dadurch auch einiges Sparen kann. Man benötigt den meisten Baby-Schnickschnack wie Kinderwagen, Laufgitter, Babybett nicht.

Leider hat die Autorin keine eigene Kinder und dementsprechend keine Erfahrung und kann wenig praktische Tipps geben. Zum Glück gibt es jedoch ein weiteres Buch von einer Mutter die das Koninuum Konzept in die Tat umgesetzt hat und davon berichtet: Auf den Spuren des Glücks: Das Kontinuum-Konzept im westlichen Alltag von Carola Eder. Das steht als nächstes auf meiner Leseliste. In dem Buch wird auch Kritik am Kontinuum Konzept besprochen und erklärt dass in Naturvölkern nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Das wurde von Jean Liedloff gern übersehen. Viele Prinzipien könen jedoch trotzdem erfolgreich angewand werden.